Amrita Dhillon | Ferdinand Dölberg | Jonathan Joosten | Sarah Neumann
Exhibition view MOONSTRUCK
Flutgraben e.V., Berlin
2025
Photo: Moritz Haase
KUNZTEN show #4 – MOONSTRUCK
Flutgraben e.V.
12. – 20. Juli 2025
Dreamlike, nostalgic, or subtly uncanny – MOONSTRUCK evokes a state oscillating between enchantment and disorientation. Whether in painting, expansive installations, or photographic worlds, all seven artistic positions share an interest in emotional in-between states, personal memory spaces, and a playful defiance of convention. With just the right touch, the works by Amrita Dhillon, Ferdinand Dölberg, Jonathan Joosten, Sarah Neumann, Coco Schütte, Zandile Tshabalala, and Jenna Westra break from the norm, flicker, flirt, and call forth memory.
The journey begins with a game of hide and seek: Ferdinand Dölberg’s Every attempt is an attempt to make at least a difference is based on a modular sliding system—a grid of nine rectangular panels, eight of which obscure the canvas behind them. With each shift, more of the image is revealed, yet always only in fragments, never in full. Like a game of memory, the overall picture forms only in the mind, fed by recollection. This playful sense of disorientation within a seemingly ordered system reflects Dölberg’s central interest: the tension between structure and interruption, the questioning of one’s individual position within social frameworks and relationships, and a conscious reflection on the fragility of working structures and one’s own role within them. At the same time, his work raises the question of whether we act as autonomous individuals or as part of a shared, collective force.
Zandile Tshabalala’s paintings present Black female figures with powerful presence. Dark eyes meet the viewer—confident, direct, and unyielding. In portraits like uSarah, the focus is on visibility: a visual self-assertion that challenges and reverses established image traditions. Amid matte colors and grounded physicality, the paintings question how self-images are created, who controls them, and who ultimately owns them. Tshabalala’s work resists detached observation and demands intimacy—an encounter with both the gaze of the Other and one’s own. In this tension, she redefines representation not as mere visibility, but as an active act of self-positioning. Her figures do not simply appear—they claim space. Her paintings explore the image of the body, the realm of desire, and the possibility of finding oneself in the image without being pinned down. She creates image-spaces in which identity is not fixed but imagined in motion—personal, sensual, and continually contested.
KUNZTEN show #4 – MOONSTRUCK
Flutgraben e.V.
12. – 20. Juli 2025
Träumerisch, nostalgisch oder auch bizarr und nicht ganz geheuer – MOONSTRUCK verweist auf einen Zustand der zwischen Verliebtheit und Verlorenheit vibriert. Ob in der Malerei, in raumgreifenden Installationen oder in fotografischen Bildwelten: Die sieben Positionen verbindet das Interesse an emotionalen Zwischenzuständen, persönlichen Erinnerungsräumen und einer spielerischen Unangepasstheit. Im genau richtigen Maß tanzen die Kunstwerke von Amrita Dhillon, Ferdinand Dölberg, Jonathan Joosten, Sarah Neumann, Coco Schütte, Zandile Tshabalala und Jenna Westra dem aus der Rolle, erinnern, flackern und flirten.
Es beginnt mit einem Versteckspiel – Ferdinand Dölbergs Every attempt is an attempt to make at least a difference beruht auf einem modularen Schiebesystem, einem Raster aus neun rechteckigen Tafeln, von denen acht die dahinterliegende Leinwand verdecken. Mit jedem Verschieben der Tafeln wird ein weiterer Teil des Bildes sichtbar, jedoch immer nur fragmentarisch und nie als Ganzes. Ähnlich einem Memory-Spiel formt sich das Gesamtbild erst in der Vorstellung, gespeist aus der Erinnerung an das bereits Entdeckte. Dieses spielerische Verloren-Sein innerhalb eines scheinbar geordneten Systems spiegelt Dölbergs zentrales Interesse wider: das Spannungsverhältnis zwischen Ordnung und Unterbrechung, die Befragung individueller Verortung innerhalb sozialer Gefüge und Beziehungen sowie die bewusste Reflexion der Fragilität von Arbeitsstrukturen und der eigenen Rolle hierin. Gleichzeitig stellt sich die Frage, inwiefern wir als Individuen auf uns selbst bezogen agieren oder als Teil einer gemeinsamen, kollektiven Kraft wirken können.
Zandile Tshabalala inszeniert in ihren Gemälden schwarze Frauenfiguren mit kraftvoller Präsenz. Dunkle Augen, die einem aus der Bildfläche heraus begegnen – selbstbewusst, direkt, unnachgiebig. In den Porträts wie uSarah, geht es um klare Sichtbarkeit: eine visuelle Selbstbehauptung, die bestehende Bildtraditionen herausfordert und umkehrt. Inmitten von matter Farbe und Körperlichkeit richtet sich der Fokus auf die Frage, wie Selbstbilder entstehen, wer sie kontrolliert und wem sie letztlich gehören. Tshabalalas Malereien verweigern sich einer distanzierten Betrachtung und fordern Nähe ein: eine intime Konfrontation mit dem Blick der Anderen und dem eigenen. In dieser Spannung verhandelt die Künstlerin die Frage nach Repräsentation neu, nicht als bloßes Sichtbarmachen, sondern als aktiver Akt der Selbstverortung. Ihre Figuren zeigen sich nicht, sie behaupten sich. Tshabalalas Arbeit ist eine Auseinandersetzung mit dem Bild des Körpers, dem Raum des Begehrens und der Möglichkeit, sich selbst im Bild wiederzufinden, ohne sich festlegen zu lassen. Dabei entstehen Bildräume, in denen Identität nicht fixiert, sondern in Bewegung gedacht wird – als etwas Persönliches, Sinnliches, immer wieder Umkämpftes.
Exhibition view MOONSTRUCK
Flutgraben e.V., Berlin
2025
Photo: Moritz Haase
Exhibition view MOONSTRUCK
Flutgraben e.V., Berlin
2025
Photo: Moritz Haase
Sarah Neumann’s paintings place their trust in the uncertain—relying on the intuitive force of the image, on what is only hinted at and resists being pinned down. Untitled, the works invite us to follow their trail into the visual worlds the artist constructs on Finnboard. Figures, creatures, animals, objects—motifs surface, dissolve, and return transformed, never quite letting go. Neumann’s painting does not follow linear narratives; instead, it moves tentatively through a liminal realm where the longing for clarity is gently subverted. It’s a space where one cannot quite tell whether one is drifting into a sweet dream or skimming the edge of a nightmare. Rather than telling stories, Neumann creates moods—ambiguous, open, poetic. Her concern lies not in clarity, but in the in-between: the ambivalence of memory, the simultaneity of closeness and distance, of the familiar and the strange. What remains is a feeling—vague, shimmering, and melancholically beautiful.
Amrita Dhillon’s figurative painting interweaves elements of memory, migration, and identity. Her portraits, embedded in ornamental and textile-like structures, depict women in still, suspended poses—caught in a state of transition: between emotions, between rest and movement, between lightness and burden. It is precisely these moments of shift and rupture that motivate Dhillon’s intrinsically driven choice of subject matter—always in dialogue with diverse cultural understandings of iconic imagery in art and film, from Expressionism to Bollywood. Her works speak to biographical and cultural entanglements, and to a self-positioning between rootedness and estrangement. The images open a space of play on the shimmering surface of the textile-like ground. Like velvet brushed in two directions, her painting oscillates between matte, dark depth and bright, sparkling elegance. The beauty of these women—the glimmer and glitter—exerts a captivating pull, like the hypnotic music of a snake charmer, only to return the viewer to the shadows of a bitter reality.
Sarah Neumanns Arbeiten vertrauen auf das Ungewisse, auf die intuitive Kraft des Bildes – auf das, was sich nur andeutet, aber nicht festlegen lässt. Ohne Titel muss man ihrer Spur folgen und sich in die Bildwelten begeben, die die Künstlerin auf Finnpappe schafft. Wesen, Körper, Tiere, Objekte – Motive tauchen auf, verflüchtigen sich und kehren verändert zurück, ohne dass sie einen ganz loslassen. Neumanns Malerei folgt keiner linearen Erzählung, sondern bewegt sich tastend durch ein Zwischenreich, in dem die Sehnsucht nach Orientierung nicht erfüllt, sondern sanft unterlaufen wird. Es ist ein Ort, an dem man nicht genau weiß, ob man sich in einem süßen Traum verliert oder bereits auf den Rand eines Albtraums zusteuert. Statt Geschichten entstehen Stimmungen – mehrdeutig, offen, poetisch. Es geht ihr nicht um Eindeutigkeit, sondern um das Dazwischen: die Ambivalenz der Erinnerung, die Gleichzeitigkeit von Nähe und Distanz, von Vertrautem und Fremdem. Was bleibt, ist ein Gefühl – vage, schimmernd, von melancholischer Schönheit.
Amrita Dhillon verbindet in ihrer figurativen Malerei Elemente aus Erinnerung, Migration und Identitätsfragen. Ihre in ornamental-textile Strukturen eingebetteten Portraits zeigen Frauen in ruhigen Posen — eingefroren in einem Zwischenzustand, zwischen Gefühlsregungen, zwischen Ruhe und Bewegung, zwischen Leichtigkeit und Last. Gerade diese Übergangsstadien und Brüche sind es, die Dhillon zu ihrer intrinsisch motivierten Motivauswahl anregen – stets in der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen kulturellen Verständnissen vom ikonischen Bild in Kunst und Film, von Expressionismus bis Bollywood. Ihre Arbeiten verweisen dabei auf biografische wie kulturelle Verwobenheiten und eine Selbstverortung zwischen Verwurzlung und Entfremdung. Dhillons Bilder eröffnen einen Spielraum für einen Prozess, der auf der schillernden Oberfläche des textilen Bildgrunds stattfindet. Wie die Fasern des Samts sich in zwei Richtungen streichen lassen, oszilliert auch ihre Malerei zwischen matter, dunkler Tiefe und heller, funkelnder Lieblichkeit. Die Schönheit der beiden Frauen — das Glitzern und Funkeln —verleiht ihnen eine betörende Kraft, die die Betrachtenden wie beim Flötenspiel eines Schlangenbeschwörers in den Bann zieht, nur um sie zugleich in die Dunkelheit einer bitteren Wirklichkeit zurückzuführen.
Exhibition view MOONSTRUCK
Flutgraben e.V., Berlin
2025
Photo: Moritz Haase
Exhibition view MOONSTRUCK
Flutgraben e.V., Berlin
2025
Photo: Moritz Haase
A slanted, graffiti-covered picket fence—damaged and incomplete—cuts across the rear gallery space, creating an open site: a space for reflection, imbued with the object’s past. In PIU – (separation), Jonathan Joosten resurrects a fence from a Berlin playground—an object tied to a personal memory. As a witness to a childhood sense of freedom, the fence embodies the delicate balance between memory and nostalgia—a state Joosten counters with a persistent desire, expressed through his documentary approach of recontextualization. His carefully composed wall works also archive fragments of prehistory. In enigmatic image spaces—somewhere between closeness and alienation—his works appear as frozen frames from an inner film. What do we recognize when we lose ourselves within them?
Ein angewinkelter Lattenzaun, von Graffiti überzogen, nicht mehr ganz intakt, durchzieht den hinteren Ausstellungsraum des Flutgrabens und schafft zeitgleich einen offenen Platz — einen Gedankenraum, der die Vergangenheit des Objekts in sich trägt. Mit RE:PLY (seperation) belebt Jonathan Joosten die Umzäunung eines Berliner Spielplatzes, mit dem der Künstler eine persönliche Geschichte verbindet, wieder. Als Zeuge eines kindlichen Freiheitsgefühls verkörpert der Zaun den Balancemoment zwischen Erinnerung und Nostalgie — einem Zustand, dem Joosten mit seinem dokumentarischen Ansatz der Rekontextualisierung ein beständiges Begehren entgegensetzt. Auch in seinen sorgfältig inszenierten Wandbildern archiviert Joosten Fragmente einer Vorgeschichte. In rätselhaften Bildräumen – zwischen Nähe und Entfremdung – wirken die Arbeiten wie eingefrorene Momente eines inneren Films. Was erkennen wir, wenn wir uns in ihnen verlieren?
Exhibition view MOONSTRUCK
Flutgraben e.V., Berlin
2025
Photo: Moritz Haase
Exhibition view MOONSTRUCK
Flutgraben e.V., Berlin
2025
Photo: Moritz Haase
Nothing is fixed, nothing remains stable. In Coco Schütte’s work, there is always an underlying tilt: a deviation, a subtle resistance, a gesture of joyful nonconformity. She throws systems off balance—not through confrontation, but through subtle shifts. The rupture in the rules remains implied, yet felt. At times casually, at times deliberately staged, her collisions of language, objects, and bodies question authority, gender, and the performance of power—with analytical precision, never didactically. Her tools are disruption, re-coding, and playful disturbance, carried by a fine sense of rebellion that runs through her entire practice. A toppled barstool becomes a pedestal for soft fabric; meanings begin to slip. Spatial situations emerge in which roles begin to wobble and loss of control becomes a productive experience. What becomes visible is not an antithesis to existing order, but a controlled unravelling—a deliberate crossing of boundaries that opens space for new forms of speaking, showing, and thinking.
A pair of legs steps out of darkness, a mirror between them becomes an image within the image, gracefully
weaving body and environment. Jenna Westra photographs bodies in carefully choreographed constellations—hands, touches, poses, gazes. Her images are quiet and focused, yet full of tension. Nothing is incidental: every gesture, every movement is deliberately placed, yet never loses its fragility. Westra’s work questions the relationship between photography, intimacy, and control: Who directs the gaze? Who frames the scene? What remains inaccessible? In close collaboration with dancers, she creates sensitive arrangements between motion and stillness, closeness and withdrawal. The camera becomes a silent participant in a choreographed space where bodies are not merely depicted, but placed in relation—to each other, to light, to architecture, to the surface of the image itself. Her work draws on feminist performance art of the 1970s and its strategies of documentation, as well as on artists who used their bodies to interrogate power dynamics. As an invisible choreographer of seeing, Westra creates suspended moments—between assertion and vulnerability, between touch and retreat. Her photographs hold this in-between state: tentative, controlled, intimate—in the image, and in the gaze.
Nichts ist eindeutig, nichts bleibt stabil. In Coco Schüttes Kunst lauert eine latente Schieflage: eine Abweichung, ein Widerstand, eine Geste der lustvollen Unangepasstheit. Sie bringt Ordnungen aus dem Gleichgewicht – nicht durch offene Konfrontation, sondern durch subtile Verschiebung. Der Bruch im Regelwerk bleibt angedeutet, aber spürbar. Mal beiläufig, mal kalkuliert inszeniert, prallen Sprache, Objekte und Körperlichkeit aufeinander. Schütte thematisiert Autorität, Gender und das Performative von Macht mit analytischer Schärfe, aber nie belehrend. Ihre Mittel sind Irritation, Umcodierung und eine spielerische Störung, getragen von genau jener feinen Rebellion, die sich durch ihr ganzes Werk zieht. So wird der umgekippte Barhocker zum Podest für weichen Stoff, Bedeutungen beginnen zu kippen. Es entstehen räumliche Situationen, in denen Rollenbilder ins Wanken geraten und Kontrollverlust einer produktiven Erfahrung gleicht. Was sichtbar wird, ist kein Gegenbild zur bestehenden Ordnung, sondern ein kontrolliertes Entgleiten – eine gezielte Grenzübertretung, die Raum schafft für andere Formen des Sprechens, Zeigens und Denkens.
Ein paar Beine tritt aus der Dunkelheit, der Spiegel zwischen ihnen wird zum Bild im Bild und verwebt Körper
und Umgebung anmutig. Jenna Westra fotografiert Körper in sorgsam choreografierten Konstellationen – Hände, Berührungen, Posen, Blicke. Ihre Bilder sind leise und konzentriert und doch voller Spannung. Nichts ist beiläufig: jede Geste, jede Bewegung ist präzise gesetzt, ohne ihre Fragilität zu verlieren. Dabei hinterfragt Westra die Beziehung zwischen Fotografie, Intimität und Kontrolle: Wer lenkt den Blick? Wer gibt den Rahmen vor? Was bleibt unzugänglich? In enger Zusammenarbeit mit Tänzerinnen entstehen sensible Anordnungen zwischen Bewegung und Ruhe, Nähe und Entzug. Die Kamera wird zum stillen Mitspieler in einem choreografierten Raum, in dem Körper nicht abgebildet, sondern in Beziehung gesetzt werden – zueinander, zum Licht, zur Architektur, zur Bildfläche selbst. Westras Arbeiten knüpfen an feministische Performancekunst in den 1970er-Jahre und deren Dokumentationsstrategien an, sowie an Künstlerinnen, die mit ganzem Körpereinsatz Machtverhältnisse befragten. Als unsichtbare Choreografin des Sehens erschafft Westra Momente in der Schwebe – zwischen Selbstbehauptung und Ausgeliefertsein, zwischen Berührung und Rückzug. Ihre Bilder halten diesen Schwebezustand fest: tastend, kontrolliert, intim – im Bild wie im Blick.
Exhibition view MOONSTRUCK
Flutgraben e.V., Berlin
2025
Photo: Moritz Haase
MOONSTRUCK invites you into a dreamlike in-between. For those wishing to delve deeper, detailed artist insights into their working processes and thinking can be found at www.kunzten.de.
Text: Leonie Rösler & Marlene Sichelschmidt
Flyer: Maximilian Schaefer
MOONSTRUCK lädt dazu ein, sich in ein traumwandlerisches Dazwischen zu begeben. Wer tiefer eintauchen will, findet auf www.kunzten.de persönliche Einblicke in Denken und Arbeitsweisen der beteiligten Künstler:innen.
Text: Leonie Rösler & Marlene Sichelschmidt
Flyer: Maximilian Schaefer